Wunschessen

In unserer Küche hängt ein Familienplaner. Ihr wisst schon, so eine Magnettafel, auf der die zu erledigenden Aufgaben aller Familienmitglieder angepinnt werden. Oder eher gesagt, die paar Aufgaben, von denen wir denken, dass die Kinder sie doch bitte machen sollten. Alles andere ist ja eh unser Job (weshalb ich mir schon vor längerem die Frage der Mäuse verbeten habe “Und du, machst du gar nix?!?”). Auf unserem Plan gibt es außerdem auch Magnetkärtchen für die schönen Dinge des Lebens. “Kino” zum Beispiel oder “Oma kommt” (hing da coronabedingt schon lange nicht mehr) oder “Freunde treffen”. Zweimal die Woche findet sich auf unserem Plan ein Teller mit einem Herz. “Lieblingsessen” steht darunter. Und bedeutet, dass die jeweilige Maus an diesem Tag entscheiden darf, was gekocht wird.

Anfangs war die Sache klar. Die eine Maus wünschte sich Pfannkuchen, die andere Nudeln mit Tomatensoße. Oft sprachen sie sich ab, wer sich das eine und wer das andere wünschen sollte. Für eine lange Zeit waren diese beiden Gerichte jede Woche Bestandteil unseres Speiseplans. Und gerade als ich die Hoffnung verlor, die Mäuse würden das jemals langweilig finden, kamen plötzlich immer öfter auch andere Wünsche. “Können wir mal Sushi bestellen?” fragte die große Maus. “Hähnchen mit Ofengemüse” wünschte sich die Mittelmaus. Denn das hätte es schon so lange nicht mehr gegeben. Nur um dann beim Essen festzustellen: “Schmeckt mir nicht mehr”. Ein anderes Mal war der großen Maus das Hauptgericht egal. Nur einen Schokopudding sollte es bitte zum Nachtisch geben, “denn das gibt es fast nie.” Sehr oft werden süße Hauptgerichte gewünscht – zum Beispiel dieser herrlich schnelle Couscous-Schmarrn – manchmal aber auch ein Gericht, das es sehr lange nicht gab. Oder es stehen andere Aspekte im Vordergrund als nur der Geschmack – eine Maus wünschte sich vor kurzem Wraps, weil man die ohne Besteck essen kann und darf. Sogar Gerichte, die es bei uns noch nie gab, standen schon auf der Wunschliste, weil die Kinder sie irgendwo “aufgeschnappt” hatten und unbedingt probieren wollten. Aktuell wird bei uns ein Gumbo gewünscht, ein Eintopfgericht aus den US-Südstaaten, weil das im Film “Küss den Frosch” vorkommt. Bericht folgt….

Mit anderen Worten: sich jede Woche aufs neue Gedanken darüber zu machen, worauf sie Lust und Appetit haben, hat den Ernährungshorizont der Mäuse enorm erweitert. Weg von der “sicheren Bank” aus Pfannkuchen und Spaghetti hin zur Neugier auf gänzlich unbekannte Gerichte. Natürlich immer mit Netz und doppeltem Boden: auch Wunschessen muss bei uns nie aufgegessen werden, und natürlich gibt es wir üblich eine Alternatie, falls der ersehnte Schmaus doch nicht so lecker ist wie gedacht. Hat es bisher aber nur ganz selten gebraucht. Denn mit jeder Woche bekommen unsere Kinder mehr Gespür für ihre eigenen Vorlieben und auch Bedürfnisse – manchmal wurden Wunschessen schon sehr kurzfristig umgeändert, weil plötzlich enorm große Lust auf ein anderes Gericht da war.

Und auch ich habe eine erstaunliche Erfahrung gemacht: es ist ganz schön blöd, wenn der “Entscheider” sich etwas wünscht, das ich selbst nicht mag. Jedem von uns ist es als KInd sicherlich öfters so gegangen – als Erwachsene tendieren wir aber dazu, das zu vergessen. Gelegentlich habe ich tatsächlich MIR eine Alternative zubereitet. Diese Erfahrung hat mich sensibler gemacht für meine Kinder, die sich ja praktisch immer in der Situation befinden, dass sie ein Gericht vorgesetzt bekommen, ohne nennenswert mit entscheiden zu dürfen. Inzwischen nehme ich daher Ablehnung einem Gericht gegenüber noch ernster als zuvor.

In diesem Sinne kann ich das Konzept des “Wunschessens” nur allen Familien ans Herz legen. Damit es jedem in der Familie wenigstens einmal in der Woche wirklich schmeckt.

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