Morgens, 6.35 Uhr: während ich noch halb verschlafen in der Küche hantierte, Butter, Milch und Marmelade bereit stellte und dem vielversprechenden Gurgeln der Kaffeemaschine lauschte, stellte ich der Minimaus beiläufig die Frage, was sie denn frühstücken möchte. Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: “Schokolade!” So geschehen vor einigen Tagen, denn Minimaus hatte in der Kühlschranktür eine Tafel Schokolade entdeckt. In meinem Kopf herrschte erstmal kurzes Chaos, bedingt durch eine Kombination aus nachtschlafener Zeit und dem hanebüchenen Wunsch des Kindes. What? Schokolade? Zum Frühstück? Ich setzte mein diplomatischstes Lächeln auf und säuselte: “Naja, Schokolade ist doch aber kein Frühstück. Wenn du Lust auf etwas Süßes hast, kannst du ein Brot mit Marmelade oder Honig haben.” Die Minimaus, in Diplomatie noch nicht allzu bewandert, schoss ohne Lächeln zurück: “Nein, Schokolade!”
Ich gebe zu, ein klein wenig war es auch die wenig vielversprechende Aussicht auf einen ausgewachsenen Wutanfall zu so früher Stunde, die mich weich werden ließ. Vor allem aber war ich neugiereig, ob ich jetzt mal wieder einen Beleg für die Alltagstauglichkeit des intuitiven Essens erhalten würde – oder ob ich den Entschluss nachzugeben die nächsten zehn Jahre bereuen würde. Ich entschied also, der Schokolade keinerlei höheren oder niedrigeren Stellenwert beizumessen als dem Müsli, dem Marmeladenbrot oder einem Orangensaft. Ich brach ein Stück ab – nur ein kleines -, legte es der Minimaus hin und deckte anschließend kommentarlos weiter den Tisch. Als ich fertig war und mich zu ihr an den Tisch setzte, fragte ich sie erneut, was sie denn frühstücken wolle. Und wieder kam sofort die Antwort: Naturjoghurt mit Müsli und Apfelmus. Die Schokolade war kein Thema mehr – weder an diesem Morgen noch an irgendeinem anderen seither. Bei genauerem Nachdenken fiel mir ein, dass sie am Tag vorher insgesamt sehr wenig und vor allem kaum Kohlenhydrate, also nichts lange sättigendes gegessen hatte. Und dass sie schon am Morgen beim Aufwachen sofort geäußert hatte, dass sie hungrig sei. Vielleicht war also ein ordentlicher und vor allem schneller Energieschub in diesem Moment genau das, was sie brauchte. Natürlich hätte sie den auch mit dem angebotenen Marmeladen- oder Honigbrot bekommen, und hätte sie die Tafel Schokolade nicht gesehen, wäre es vermutlich darauf hinaus gelaufen. Nichts desto trotz hat Minimaus in diesem Moment für sich eine gute und richtige Wahl getroffen, ebenso wie mit dem anschließenden Joghurt.
Die Alternative wäre gewesen, die Schokolade zu verbieten. Tränen und Geschrei am Frühstückstisch, im schlimmsten Fall aus Wut dann gar kein Frühstück und in Folge ein von Anfang an verkorkster und mies gelaunter Tag. Und vielleicht – das werde ich natürlich nie erfahren – hätte ich eben genau dann noch an vielen Tagen diesen Kampf ausfechten müssen. Die Frage nach Schokolade, das Nein, das Geschrei und die Tränen. Die Schokolade wäre zu einer unglaublich erstrebenswerten Trophäe geworden, viel wertvoller als der blöde Joghurt, das doofe Brot oder das olle Müsli. Solche Erfahrungen können unser Essverhalten für das ganze weitere Leben prägen, im negativen Sinne: Süßes wird dann z. B. heimlich oder als Belohnung gegessen.
Genauso wird es meine Minimaus aber hoffentlich prägen, dass an diesem Morgen Schokolade, Müsli und Joghurt eine friedliche Koexistenz an unserem Frühstückstisch haben durften. Und sie wird lernen, dass die Lust auf Schokolade ok und kein Lebensmittel verboten ist – das wünsche ich ihr.
Das Himbeereis aus der Überschrift holte uns dann aber doch noch ein. Anderer Tag, gleiche Frage, Antwort: Eis. Echt jetzt? Eis zum Frühstück? Gab es dann aber nicht – weil sich heraus stellte, dass Minimaus sich eigentlich gekochte Eier wünschte.
[…] können. Und das, obwohl ich diese Erfahrung ja schon des öfteren gemacht habe, wie ich z. B. hier berichtet habe. Aber viel zu oft haben wir – mich eingeschlossen – Glaubenssätze im […]