Zurück auf Anfang – die Grundsätze intuitiver Ernährung

Nachdem ich – bedingt durch Corona – das Pferd, oder besser mein Blog, ein wenig von hinten aufgezäumt habe, möchte ich nun doch nochmal ein paar Worte zum Leitbild meiner Arbeit, dem intuitiven Essen, verlieren. Bis jetzt habe ich da nämlich schon einige Schlagwörter eingestreut, ohne die Zusammenhänge richtig erklärt zu haben. Daher heute der Beitrag, der eigentlich der erste hätte sein sollen.

Laut Wikipedia verstehen wir unter Intuition unter anderem “die Begabung, auf Anhieb eine gute Entscheidung zu treffen, ohne die zugrunde liegenden Zusammenhänge explizit zu verstehen.” Bezogen auf unsere Ernährung bedeutet das: unser Körper verfügt über eine innere Steuerung, die uns mitteilt, welche Nahrung wir gerade in welcher Menge benötigen, um unseren Hunger zu stillen und unsere körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie basiert auf den drei Säulen Hunger – Sättigung – Bekömmlichkeit: wir spüren, wenn wir hungrig sind, und ebenso kennen wir das Gefühl der Sättigung, wenn wir gegessen haben. Und viele kennen sicher das Gefühl, plötzlich Appetit auf eine ganz bestimmte Speise, ein bestimmtes Obst oder Gemüse zu haben; in diesem Fall signalisiert unser Körper uns sehr deutlich, was ihm gerade gut bekommen würde, um den aktuellen Nährstoffbedarf bestmöglich abzudecken. In diesem Zusammenhang sprechen wir von Bekömmlichkeit.

Diese Steuerung funktioniert von Geburt an – kleine Babys trinken nur so viel Milch, bis sie satt sind, und drehen dann den Kopf von Brust oder Flasche weg. Kommt im zweiten Lebenshalbjahr Beikost hinzu, machen Eltern häufig die Erfahrung, dass das Kind tage- oder wochenlang ein bestimmtes Lebensmittel sehr gerne isst – und genau dieses Lebensmittel dann von einem Tag auf den anderen völlig abgelehnt wird. Häufig wird dieses Phänomen als Trotz oder Mäkeligkeit gedeutet. Vielmehr dürfen wir darin jedoch ein intuitives Essverhalten erkennen: das Kind hat sich über einen gewissen Zeitraum mit Hilfe des beliebten Lebensmittels mit Nährstoffen versorgt, die sein Körper gerade brauchte, und jetzt ist eben ein anderer Bedarf da, oder anders gesagt, andere Lebensmittel bekommen dem Organismus jetzt besser. Auch die Verzehrmengen können bei Kindern erheblich schwanken, zum Beispiel in Wachstumsphasen. Hunger, Sättigung und Bekömmlichkeit folgen also keinem Schema F, keiner Ernährungspyramide, sondern sie folgen einzig und allein den Bedürfnissen des Körpers. Und diese können von Mensch zu Mensch, von KInd zu Kind sehr unterschiedlich sein, aber auch zwischen mehreren Kindern deutlich voneinander abweichen. Fazit: die eine gesunde Ernährung gibt es nicht. Aber jeder von uns trägt das Wissen um die eigene, individuell gesunde Ernährung in sich.

Und das Beste: diese innere Steuerung, auch Körperintelligenz genannt, entwickelt sich lebenslang weiter. Jede Erfahrung, die unser Körper mit bestimmten Nahrungsmitteln in verschiedenen Situationen macht, wird abgespeichert und für künftige Ess-Entscheidungen genutzt. Riesenhunger – da machen mich Nudeln immer besonders satt. Das Kind wächst wie Unkraut – und verlangt ständig nach Fleisch, Eiern oder anderen proteinreichen Lebensmitteln. Kranke Kinder essen oft wenig bis gar nichts, nur um nach dem überstandenen Infekt riesige Portionen zu verschlingen. Und wenn wir Kindern die Erfahrung zugestehen, von zuviel Süßem einmal Bauchweh zu bekommen oder sich zu übergeben, dann wirkt diese Erfahrung viel nachhaltiger als die ständige Mahnung, nicht zuviel Süßes zu essen. Alles gewachsene Intuition.

Das Problem aus Elternsicht: die kindliche Intuition deckt sich nicht immer mit dem, was uns landläufig als “gesunde Ernährung” dargestellt wird. Wenn wir Kinder selbstbestimmt aus einem vielfältigen Angebot ihr Essen wählen lassen, essen sie nicht zwangsläufig nach der Ernährungspyramide der DGE (also viel Getreideprodukte, Obst und Gemüse, aber wenig tieriesche Produkte und sehr wenig Fett und Zucker). Vielmehr essen sie tagelang nur trockene Nudeln, Marmeladenbrot und Joghurt. Zumindest gefühlt. Unsere Mittelmaus hat immer wieder solche Phasen, in denen sie gekochtes Essen (vor allem Gemüse) nahezu komplett ablehnt und stattdessen von Butterbrot und Müsli lebt.

Auch für mich ist das nicht immer leicht mit anzusehen, vor allem, wenn es sich über mehr als ein paar Tage erstreckt. Denn wir alle verfügen heutzutage über soviel Wissen bzgl. angeblich “gesunder” Ernährung wie noch nie zuvor, und möchten zum Wohle unserer Kinder alles richtig machen. Viele Eltern – auch mir ging es früher so – neigen deshalb dazu, dass Essverhalten ihrer Kinder zu kommentieren, Regeln aufzustellen (z. B. nur einmal pro Tag Süßigkeiten, Nachtisch nur, wenn vorher Gemüse gegessen wurde etc) und Verzehrmengen zu kontrollieren. Was dabei leider verloren geht, ist die Fähigkeit unserer Kinder, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und für sich selbst Sorge zu tragen – eine Fähigkeit, die grundlegend wichtig ist, um gesund durchs Leben zu kommen. So gibt es z. B. Studien, die zeigen, dass Kinder und Jugendliche, die sich intuitiv nach ihrem Körpergefühl ernähren dürfen, in der Regel nicht nur normalgewichtig sind, sondern auch seltener Essstörungen entwickeln.

Das Gute ist, dass Kinder (und auch Erwachsene) wieder zu ihrer inneren Steuerung zurück finden können. Mögliche Lösungen habe ich bereits in meinem Blog-Beitrag zum Thema “Entspannt Essen in der Corona-Zeit und danach” aufgezeigt. Ganz wichtig ist aber auch die entspannte Grundhaltung der Eltern: das Kind holt sich, was es braucht. Unsere innere Steuerung fordert nämlich nicht nur das ein, was sie braucht – sie schützt uns auch vor zu einseitiger Ernährung, indem uns nach einiger Zeit der Appetit auf bestimmte Lebensmittel vergeht, wenn wir sie zu häufig essen. Seit ich gelernt habe, auf diese innere Steuerung meiner Kinder zu vertrauen, erlebe ich immer häufiger Dinge, die sich fast wie kleine Wunder anfühlen: Mittelmaus legt nach tagelanger Müsli-Butterbrot-Diät plötzlich ganz von selbst einen “Obsttag” ein. Die große Maus spürt plötzlich ganz von selbst, dass nach ein paar Tagen mit viel Süßkram (wie jetzt um Ostern herum) Salat richtig gut schmeckt. Und die Minimaus zieht Wassermelone derzeit jedem süßen Dessert vor. Und das Beste: seit wir Eltern uns weniger einmischen, weniger auf Süßigkeiten schimpfen, weniger reglementieren, kommen diese Wendepunkte viel schneller. Wenn es nichts mehr gibt, wogegen die Kinder kämpfen müssen, können sie sich nämlich mehr auf sich konzentrieren.

In diesem Sinne: erlauben wir unseren Kindern etwas mehr Intuition am Esstisch. Hören wir auf zu meckern, zu reglementieren und zu kontrollieren und lassen wir stattdessen wieder die Freude am gemeinsamen Essen mit am Tisch sitzen. Wenn dir das schwer fällt und du Hilfe bei der Umsetzung in deiner eigenen Familie brauchst – schau doch mal auf meiner Coaching-Seite vorbei. Ich begleite euch gerne auf einem Stück eures Weges.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert