Die Moral des Essens

Herzlich willkommen im Jahr 2021! Ich hoffe, ihr seid alle gut aus dem chaotischen, aufreibenden und nervenzerrenden Coronajahr 2020 heraus gerutscht in ein besseres und vor allem gesundes 2021.

Die Mäuse, der Mäusevater und ich haben den Jahreswechsel – wie nicht anders zu erwarten war – ziemlich entspannt und unspektakulär gefeiert. Das obligatorische Raclette mit all den kleinen und großen Leckereien fürs Pfännchen war trotzdem mit von der Partie. Ich weiß nicht, ob es mit der unbestreitbaren Völlerei über die Weihnachtstage zu tun hatte oder damit, dass ich gerne einen guten Vorsatz fürs neue Jahr fassen wollte, einen richtg guten, so einen, bei dem man das Gefühl hat, etwas für die Rettung der Welt zu tun. Oder vielleicht auch damit, dass sich in meinem Umfeld immer mehr Menschen vegan oder zumindest vegetarisch ernähren und auch wir als Familie uns in den letzten Monaten zunehmend vom Fleischkonsum distanziert hatten in dem Bewusstsein, dass dafür oftmals Tiere unter katastrophalen Bedingungen gehalten und geschlachtet werden. Wahrscheinlich war es ein Mix aus all diesen Gründen, der mich gefühlt um 23.55 Uhr am 31. Dezember den Entschluss fassen ließ, beim Veganuary mitzumachen. Diese Challenge, die seit 2014 immer im Januar stattfindet, kennen bestimmt viele von euch, falls nicht, gibt es viele Infos dazu hier. Kurz gesagt bedeutet es nichts anderes, als einen Monat lang vegan zu essen. Entweder den Tieren zuliebe, aus Umweltschutzgründen oder für die eigene Gesundheit. Oder alles zusammen.

Und so kam es, dass ich am 1.1.2021 aufwachte und erstmals Mandelmilch in meinen Kaffee kippte. Die hatte ich vor Monaten mal gekauft und dann ganz hinten ins Regal gestellt. Und während ich mit übernächtigtem Schädel darüber nachdachte, wir ich diesen Spontanentschluss jetzt am Feiertag (und dem sich direkt anschließenden Wochenende) umsetzen sollte mit einem Kühlschrank, dessen Inhalt eigentlich nur aus Racletteresten in Form von Käse, Schinken, Shrimps etc bestand, stellte sich mir gleich auch noch eine andere Frage: muss meine Familie da mitmachen? Darf ich den Mäusen einen Monat lang die geliebten Wienerle, den Butterkäse, den Joghurt vorenthalten? Was mach ich denen aufs Pausenbrot (ok, da war noch nicht klar, dass es keine Schule und damit auch keine Pause geben würde, aber das Problem stellt sich ja trotzdem, nur eben zu Hause)? Oder mach ich mein eigenes Ding und koche dementsprechend immer doppelt?

Diese Fragen stellen sich vermutlich viele Eltern, die für sich beschließen ihre Ernährung zu ändern. Egal, ob es dabei erstmal um den Umstieg auf eine vegetarische Ernährung mit Milchprodukten geht oder direkt um veganes Essen. Darf ich als Mutter, als Vater meine eigene Vorstellung von “guter” Ernährung zum Dogma am Familientisch erklären? Darf ich meine eigene Idee davon, welche Lebensmittel moralisch vertretbar sind, über den Appetit meiner Kinder auf Wurst, Käse, Joghurt etc stellen?

Diese Fragen wälze ich seit nunmehr 11 Tagen in meinem Hinterstübchen. Und während ich mich noch an die Mandelmilch im Kaffee gewöhne, habe ich grundsätzlich für mich selbst bisher zu folgenden Antworten gefunden:

  1. Nein, ich möchte meine Familie, insbesondere meine Kinder, nicht zu einer veganen Ernährung zwingen, indem ich (als hauptverantwortliche Essenszubereiterin in unserer Familie) nur noch pflanzliche Kost auf den Tisch bringe. Wäre doch irgendwie fies, oder? Zum einen, weil ich eine vegane Ernährung bei Kindern im Wachstum nur dann für vertretbar halte, wenn man sich genauestens über die notwendige Supplementierung derjenigen Vitamine und Mineralstoffe informiert, die wir bei einer Mischkost vor allem über tiereische Produkte aufnehmen, das sind zum Beispiel Vitamin B12 und Calcium. Für einen Monat aus meiner Sicht definitiv zuviel Aufwand. Zum anderen widerspricht das kategorische Verbot bestimmter Lebensmittel aus meiner Sicht auch dem Konzept der intuitiven Ernährung, das wir in unserer Familie ja bekanntlich pflegen. Ein Verbot von Wurst, Joghurt, Käse kann genau zum gleichen Verzichthunger, zu den gleichen Problemen führen wie das Verbot von Süßigkeiten. Deshalb: ja, auch wenn ich selbst vegan esse, kaufe ich für meine Kinder die tierischen Produkte, die sie mögen, und koche auch mit Fleisch und Fisch. Allerdings noch weniger als vorher. Und ausschließlich mit Wurst, Fleisch und Käse vom lokalen Metzger unseres Vertrauens. Womit wir bei Punkt zwei wären:
  2. Ja, ich darf meine Meinung und meine Ansichten kundtun und auch nach ihnen handeln. Deshalb mache ich vor den Mäusen kein Geheimnis daraus, dass ich derzeit bestimmte Dinge nicht esse, und ich erkläre auch, warum ich das tue. Ich biete grundsätzlich immer an, von den veganen Speisen und Lebensmitteln zu probieren. Und manche Dinge gibt es tatsächlich bei uns nicht: Billigwurst vom Discounter zum Beispiel. XXL-Fleischpackungen aus der Selbsbedienungstheke, bei denen 10 Schnitzel weniger kosten als eine Tafel Schokolade. Die bekannten kleinen roten Käsekugeln, von denen jede einzelne in eine Schicht aus Plastik eingewickelt ist. Gummibärchen in Minitüten. Denn dass wir tierische Produkte konsumieren bedeutet nicht, dass uns die Tiere egal sind. Und wir können immer darauf achten, unnötig kleinteilige Plastikverpackungen zu vermeiden. Mein Wunsch ist, dass unsere Mäuse mit der Zeit selbst zu einer Haltung finden, bei der sie den eigenen Genuss in Relation setzen zur Herkunft des Lebensmittel und dann entsprechend entscheiden. Auf dem Weg dahin kann ich ihnen Vorbild sein – mehr aber auch nicht.
  3. Ja, leider muss ich bedingt durch Punkt 1 manchmal doppelt kochen. Oder für die Familie “normal” kochen und mich mit einem veganen Salat zufrieden geben. Aber: erstaunlich viele Lieblingsgerichte lassen sich auch vegan zubereiten. In der ersten Januarwoche gab es bei uns z. B. Dampfnudeln mit Vanillesoße, Kartoffelbrei, Tomatencremesuppe, Bratlinge und Pancakes. Bei all diesen Gerichten war es problemlos möglich, tierische Zutaten durch pflanzliche Alternativen zu ersetzen. Die Mäuse waren jedesmal erstaunt und positiv überrascht.

Und so habe ich mich inzwischen bereits durch das erste Drittel dieses veganen Monats “gewurschtelt” (kleines Wortspiel ;-). Anfangs sehr holprig, inzwischen wird es immer besser. Was eine doch sehr klar reglementierte Ernährungsweise wie die vegane Ernährung mit dem Konzept des intuitiven Essens macht und welche Lebensmittel ich am meisten vermisse, darüber berichte ich beim nächsten Mal.

Bis dahin: lasst es euch schmecken!

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