Quengelware reloaded

Lange habe ich versucht es zu vermeiden: einkaufen mit Kind. Einerseits, um meine Nerven zu schonen und – mit zunehmend strengerem Lockdown – um wenigstens diese eine Stunde in der Woche mal “allein” zu sein. Und so kommt es, dass meine drei Mäuse in den vergangenen 11 Monaten Supermärkte nur selten von innen gesehen haben Im ersten Lockdown gar nicht, über den Sommer gelegentlich und dann ab November wieder nicht mehr.

Nun ist jedoch der beste Vater der Welt diesmal nicht im Homeoffice und der Einkauf ohne Kind kann folglich nur am Wochenende, früh morgens oder abends stattfinden. Am Wochenende ist es der reinste Horror, früh morgens eine einzige Hetze (der Mann will zur Arbeit und das Homeschooling ruft) und abends – gibt es die Hälfte der Dinge nicht mehr, die auf meinem Einkaufszettel stehen. Milch? Ausverkauft. Obst und Gemüse? Ein paar schrumpelige Karotten und Äpfel mit braunen Stellen. Die Liste lässt sich fortsetzen. Und so beschloss ich vor kurzem, dass Minimaus ab sofort wieder mit zum Einkaufen darf, was den Zeitrahmen erheblich vergrößert. Und ein bisschen Alltagserfahrung braucht das Kind schließlich auch.

Minimaus war und ist begeistert. Als sie zuletzt mit mir einkaufen war, konnte sie noch nicht in Sätzen sprechen, inzwischen erklärt sie mir die Welt und erheitert uns mit ihren witzigen Wort- und Satzkreationen. Die “Ausflüge” in den Supermarkt sind für sie das Highlight der Woche – und sie hat sehr schnell entdeckt, dass alles, was sie gerne isst, dort zu haben ist. Entsprechend war ich innerlich gewappnet ein drittes Mal die “Du kannst dir eine Sache aussuchen”-Regel zu implementieren und dann jedes Mal mit irgendetwas nach Hause zu gehen, das ich meinen Kindern lieber nicht geben würde. So war es nämlich bei der großen Maus und der Mittelmaus – als die im jetzigen Alter der Minimaus waren, fuhren der beste Vater der Welt und ich noch eine deutlich härtere Linie in punkto Ernährung: Süßigkeiten waren streng rationiert, Nuss-Nougat-Creme gab es nur am Wochenende, Schokocornflakes auch, Joghurt nur natur, maximal mit Honig. Und entsprechend fiel dann auch die Wahl der “einen Sache” aus: das Kind schnellte im Supermarkt in Lichtgeschwindigkeit und zielgenau zu den Regalen, wo es all das finden würde, was es sonst nicht oder nur selten gab. Schokolade, süße Frühstücksflocken, Joghurts in den giftigsten Farben, das waren die Standards des Wocheneinkaufs. Daran hat sich bis heute – trotz unseres neuen Umgangs mit Essen, siehe unten – wenig geändert. Und darauf war ich nun zum dritten Mal vorbereitet – und wurde eines besseren belehrt.

Minimaus hat niemals etwas anderes kennen gelernt, als dass sie essen darf, wonach ihr ist. Als wir den Weg hin zu mehr Intuition und Bauchgefühl beim Essen fanden, war sie gerade erst ein Jahr alt und noch dabei sich überhaupt an feste Nahrung zu gewöhnen. Entsprechend ist es für sie schon immer Alltag gewesen zu essen, worauf sie Appetit hat. Sie bekommt fast immer etwas Süßes, wenn sie danach fragt. Nachtisch zuerst? Ok. Nur Nachtisch? Ok. Gar kein Nachtisch? Ok. In 95% aller Fälle darf Minimaus das essen, wonach sie fragt bzw was sie sich aus den angebotenen Nahrungsmitteln auswählt. Wir versuchen, keinem Lebensmittel einen höheren oder niedrigeren Wert beizumessen als anderen. Wie gut das funktioniert, durfte ich nun beim Einkaufen erleben. Die “Eine-Sache-Regel” hatte sie schnell kapiert. Minimaus´erste Wahl: eine Fenchelknolle. Beim zweiten Mal: ein Fruchtjoghurt. Ein Schoko-Ei. Kiwis. Linsenaufstrich. Gouda an der Käsetheke. Es ist durch die Bank alles dabei, und sie isst den Fenchel mit der gleichen Begeisterung wie die Schokolade.

Was uns das zeigt? Dass Kinder, die aus dem Bauch heraus wählen dürfen, mitnichten immer nur Süßes wollen, sondern sehr gut spüren, wonach ihnen gerade ist und was ihnen gut tut. Eine bessere Voraussetzung für eine individuell gesunde Ernährung kann es kaum geben.

In diesem Sinne: viel Spaß beim Einkaufen. Und lasst es euch schmecken!

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