Die Gemüsefrage neu gedacht

Vor kurzem entdeckte ich sie mal wieder – diese Dose im Gefrierfach, in der ich vor Jahren mal den Rest einer Nudelsoße eingefroren habe. Ich erkenne sie sofort – roter Deckel, kleine Schneemänner an der Seite (es war damals grad Weihnachtszeit) und der Inhalt von einer so abscheulich grünen Farbe, dass ich schon beim Anblick wieder den wirklich einmalig schrecklichen Geschmack auf der Zunge habe.

Das Ganze spielte sich ab zu einer Zeit, lange bevor ich mich dem intuitiven Essen zugewandt hatte. Ich war immer mal wieder auf der Suche nach neuen “Ideen” (heute würde ich es eher Tricks nennen), mit denen ich meinen Kindern mehr Gemüse unterjubeln konnte. Die Basis zu besagter grüner Soße war der Tipp, Gemüse einfach in Lieblingsgerichte “hineinzupürieren”, um sie so dem unwissenden Nachwuchs einzuverleiben. Man müsse natürlich mit der Menge vorsichtig sein, damit die schlauen Kleinen das nicht gleich bemerkten, hieß es da, aber nach erfolgreichem Test könne man die Menge von Mal zu Mal steigern.

Gesagt, getan. Nudeln mit Soße gehen bei unseren Kindern immer – vorzugsweise Tomatensoße, aber das habe ich damals großzügig ausgeblendet. Und so entschied ich mich gleich beim ersten Versuch für eine verwegene Mischung diverser Gemüsereste aus dem Kühlschrank, die ich anbrutzelte und zum Schluss fein säuberlich mit etwas Brühe und Sahne pürierte. Das Ergebnis war eine wirklich grasgrüne Soße, die auch mit viel Würze nicht wirklich lecker werden wollte. Am Tisch dann – nach anfänglichem Jubel ob der Ankündigung “Nudeln mit Soße” – lange Gesichter aller Orten, ich pries die Soße in den höchsten Tönen, alle probierten tapfer, aufgegessen hat niemand, auch nicht wir Eltern. Am Ende haben wir, wenn ich mich recht erinnere, Aufbackpizza gemacht, ohne Gemüse, dafür mit viel Salami und Käse. Hätte ich wie üblich eine Tomatensoße gemacht, wäre der Gemüseverzehr deutlich höher gewesen.

Seither fristet die restliche Soße ihr trauriges Dasein in unserem Tiefkühlfach. Obwohl ich mir sicher bin, dass sie an unserem Esstisch niemals ein Revival erleben wird. Warum ich sie aufhebe? Keine Ahnung. Vielleicht als kleinen Reminder daran, dass es mir nicht zusteht, meinen Kindern bestimmte Lebensmittel unterzujubeln – und dass das eigentlich nur nach hinten losgehen kann. Oder möchtest du, dass jemand dir heimlich Zutaten ins Essen mischt, die du eigentlich nicht magst? Also.

Dass das Thema aber auch heute noch viele Familien umtreibt, zeigt ein Beitrag in der aktuellen “Eltern for Family” – eine Zeitschrift, die ich sehr schätze, die mich in diesem Punkt aber nicht zufrieden gestellt hat:

Mit zwei Ausnahmen habe auch ich diese Sätze – so oder so ähnlich – alle schon einmal zu meinen Kinder gesagt. Früher. Heute vertrete ich die Meinung, dass Kinder selbst am besten spüren und wissen, was ihnen gut tut und was ihr Körper braucht (siehe dazu auch diesen Beitrag). Und wenn sie ein bestimmtes Gemüse, Obst oder irgendein anderes Lebensmittel ablehnen, hat das in aller Regel seine Gründe und berechtigt uns nicht, ihnen diese Lebensmittel heimlich zu verabreichen. Vielmehr übergehen wir damit genau dieses “Selbst-Bewusstsein” der Kinder, ihr Gespür für sich selbst. Wie sollen sie wissen, ob sie Zucchini mögen, wenn sie sie immer nur püriert ins restliche Essen gejubelt bekommen? Meine große Maus bekommt übrigens von gekochten Karotten Würgreiz – und schmeckt kleinste Mengen heraus, egal ob aus Soßen, Aufläufen oder Suppen. Ihr dieses Gemüse dann wieder und wieder unterzujubeln, fände ich mehr als unfair.

Bei uns zu Hause gehen diese 7 Sätze daher heute so:

  1. Krasse Farbe, stimmt. Magst du trotzdem probieren, wie es dir schmeckt?
  2. Ist ok, wenn du es nicht magst.
  3. Ist dir schon mal die lustige Form vom Brokkoli aufgefallen? Ich finde das immer witzig, wie sich die Baumkrone im Mund anfühlt. Und du?
  4. Mir schmeckt das sehr gut. Möchtest du probieren?
  5. Ersatzlos gestrichen.
  6. Ja, ich hab Karotte mit in die Soße getan, wollte ich mal ausprobieren. Du kannst es probieren oder was anderes auf die Nudeln haben.
  7. Nachtisch gibt es bei uns völlig unabhängig von der Verzehrmenge bei der Mahlzeit. Und auch wenn überhaupt kein Gemüse gegessen wurde.

Ob unsere Kinder deshalb jetzt weniger Gemüse essen? Eher nicht. Sie haben alle ihre Lieblingssorten, die sie in rauen Mengen verdrücken können. Aber seit wir keinen Druck mehr machen, sind sie auch anderen Sorten gegenüber offener und experimentierfreudiger geworden, und die gemeinsamen Mahlzeiten sind ungleich entspannter.

In diesem Sinne – locker machen! Ich geh jetzt mal die eingefrorene Soße entsorgen……

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